Manuel Lima und die Visualisierung komplexer Wissensstrukturen

SHRIMP basiert auf verschiedenen Konzepten zu Wissensstrukturen, Lehr-Lern-Strategien, Visualisierung und Interface-Design. Dadurch ergeben sich viele fachliche und inhaltliche Zusammenhänge mit der Arbeit von Personen in Bereichen, die nicht unmittelbar auf die Lehre an Hochschulen bezogen sind.

Manuel Lima ist Informations-Designer und Autor. Im März 2015 hielt er auf der TED-Konferenz einen Vortrag zum Thema Visualisierung von Wissensstrukturen. Darin beschrieb er die Entwicklung visueller Metaphern und Paradigmen, welche die Wissensordnungen mindestens in den letzten eintausend Jahren geprägt haben.

Ausgangspunkt ist für Lima die Rangfolge, eine Strukturierungsmethode aus mythisch-religiösen Zusammenhängen, deren Wissen von einer Hierarchie mit Gott an der Spitze geprägt ist. Spätestes ab dem Mittelalter werden Rangfolgen komplexer: Baumstrukturen stellen Abhängigkeiten detaillierter und in mehreren Stufen dar und ermöglichen es, Beziehungen zwischen nicht unmittelbar miteinander verbundenen oder aufeinander folgenden Elementen abzubilden. Limas Beispiele zeigen baumförmige Wissensstrukturen in sehr verschiedenen Bereichen, etwa in der Genealogie und in der Biologie. Ihre Bedeutung, so Lima, komme von grundlegenden menschlichen Bedürfnissen in Bezug auf Wissensstrukturen: Einheitlichkeit, Ordnung und Symmetrie.

Spätestens im 20. Jahrhundert werden die hierarchischen und die baumförmigen Wissensstrukturen durch eine weitere Metapher ergänzt: das Netzwerk. Damit verändert sich jedoch nicht nur die Darstellungsweise von Wissen. Es entsteht ein neues Paradigma der Wissensordnung. In modernen Wissenschaften, etwa der Neurobiologie, der Psychologie und der Linguistik, werden komplexe Strukturen entdeckt und entwickelt, die einen deutlich höheren Grad an Vernetzung und multiple Wechselwirkungen zwischen Informationen darstellen können. Das Netzwerk als Strukturierungsparadigma eignet sich zur nicht-linearen, dezentralen Darstellung von Inhalten und betont vor allem deren Multiplizität und Konnektivität.

Das Netzwerk-Paradigma prägt auch den SHRIMP-Hypertext: Unsere Textinhalte sind untereinander vielfach verknüpft und bilden ein dezentral organisiertes Netzwerk, in dem nicht-linear gelesen werden kann. Das Netz aus bedeutungsvollen Zusammenhängen schafft übergreifende Kontexte, durch die neue inhaltliche Ebenen abgebildet werden. Indem wir Inhalte rekontextualisieren, realisieren wir das didaktische Ziel unserer Lehrveranstaltung: Lerninhalte im Zusammenhang zu vermitteln, um komplexe Verstehensprozesse und kritische Reflexion zu fördern.

Doch SHRIMP geht über das Abbilden von Information in einer netzförmigen Struktur hinaus: Neue Kontexte entstehen nicht allein durch das bedeutungsvolle Verknüpfen von feststehenden Lerninhalten. Indem die Studierenden mit den Inhalten interagieren, entstehen neue, diskursive Inhalte, die das Netz ergänzen. Die netzwerkförmige Gestaltung von Informationen wird ergänzt durch das Design von Interaktionen. Der SHRIMP-Hypertext wird im Lernprozess individuell erlebt und gestaltet – es entsteht ein Social Hypertext.

Manuel Lima bei TED: Vortrag, TED-Speaker
Limas Information-Design-Netzwerk: visualcomplexity.com

Access Attributes: